Mit über 32.000 Menschen setzte die Freie Wohlfahrtspflege am 13. November 2024 ein historisches Zeichen: Bei der wohl größten Demonstration dieser Art in der Landesgeschichte protestierten Mitarbeitende sozialer Einrichtungen in den Düsseldorfer Rheinwiesen, nur 500 Meter vom Landtag entfernt, gegen die geplanten Kürzungen der Landesregierung im sozialen Bereich. Auch von der Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege Hochsauerland demonstrierten Mitarbeitende gegen den geplanten Sozialabbau. Bei einem Arbeitsgespräch wurde jetzt auf die Protestveranstaltung zurückgeblickt und die Forderungen an die Politik ein weiteres Mal untermauert.
"Die geplanten Einschnitte von 83 Millionen Euro im Landeshaushalt treffen die Schwächsten in unserer Gesellschaft - genau die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind", betont Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbandes Brilon. Er fordert: "Angesichts der massiven Herausforderungen, sei es in der Pflege, der Armutsbekämpfung oder der Integration, sind diese Kürzungen nicht nur kurzsichtig, sondern auch gefährlich. Wir fordern Verlässlichkeit und Stabilität in der sozialen Arbeit."
Aus der Region waren über 300 Mitarbeitende aus den neun Wohlfahrtsverbänden der AG Freie Wohlfahrtspflege HSK nach Düsseldorf gereist. Viele konnten nicht teilnehmen, weil sie den Betrieb ihrer Einrichtungen aufrechterhalten mussten. "Schließlich sind wir systemrelevant, weil unsere Arbeit immer den Menschen in den Mittelpunkt stellt", unterstreicht Kerstin Weitemeier, Kreisgruppengeschäftsführerin der Paritätische HSK. Der Unmut über die Sparpläne war dennoch unüberhörbar: Als Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Familienministerin Josefine Paul die Bühne betraten, um die Einschnitte zu verteidigen, hallte ein gellendes Pfeifkonzert über die Rheinwiesen.
"Die Landesregierung darf die weitreichenden Folgen dieser Kürzungen nicht unterschätzen", warnt Weitemeier. "Wenn soziale Dienste eingeschränkt oder eingestellt werden, sind nicht nur vulnerable Gruppen betroffen, sondern auch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Das gefährdet den sozialen Frieden und liefert antidemokratischen Kräften Nährboden." Christian Stockmann, Vorstand Caritasverband Arnsberg-Sundern, ergänzt:
"Bereits vor den vorgelegten Sparplänen der NRW Landesregierung hatte die AG Wohlfahrtspflege im HSK mit den verantwortlichen Landtagsabgeordneten, Klaus Kaiser und Matthias Kerkhoff (beide CDU), das Gespräch gesucht und auf die drohenden Auswirkungen im Sozial- und Pflegebereich hingewiesen, wenn noch weiter auf Landes- oder auch Bundesebene gekürzt wird."
Die Freie Wohlfahrtspflege fordert die Landesregierung auf, alle Kürzungspläne zurückzunehmen. "Wir hoffen, dass dieses klare Signal aus Düsseldorf Gehör findet", sagt Stefan Goesmann, Geschäftsführer AWO Unterbezirk HSK / Soest abschließend. "Denn ein starkes NRW braucht eine starke soziale Infrastruktur."
Konkrete Forderungen des Caritasverbandes Brilon
und der Freien Wohlfahrtspflege an die Politik:
1. Rücknahme der Kürzungen im Sozialbereich:
Die geplanten Einsparungen von 83 Millionen Euro im Landeshaushalt müssen vollständig zurückgenommen werden, um den Erhalt sozialer Angebote und Dienste zu sichern.
2. Verlässliche Finanzierung sozialer Arbeit:
Soziale Einrichtungen und Dienste brauchen eine langfristig abgesicherte Finanzierung, die den steigenden Bedarfen und Kosten gerecht wird. Nur so können qualifizierte Angebote für Pflege, Integration, Familienhilfe und Armutsbekämpfung gewährleistet werden.
3. Stärkung der sozialen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen:
Gerade in Krisenzeiten sind verlässliche Anlaufstellen unverzichtbar. Die Beratung und Begleitung von Menschen in Notlagen darf nicht durch Sparmaßnahmen gefährdet werden.
4. Investitionen in Fachkräfte und Infrastruktur:
Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind zusätzliche Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sowie in die Infrastruktur sozialer Dienste notwendig.
5. Priorisierung des sozialen Zusammenhalts:
Die Landesregierung muss den Erhalt und die Stärkung stabiler sozialer Sicherungssysteme als zentrale politische Aufgabe begreifen. Ein funktionierendes Sozialsystem ist essenziell für den gesellschaftlichen Frieden und die Demokratie.
6. Dialog auf Augenhöhe:
Die Politik muss die Expertise der Freien Wohlfahrtspflege stärker einbeziehen und mit den Trägern gemeinsam nach zukunftsfähigen Lösungen suchen, statt kurzfristige Sparmaßnahmen zu diktieren.
"Diese Forderungen sind keine Luxuswünsche, sondern essenzielle Maßnahmen, um die soziale Infrastruktur zu sichern und für die Menschen da zu sein, die uns am meisten brauchen", betont Vorstand Heinz-Georg Eirund der Caritas Brilon. "Die Landesregierung steht in der Verantwortung, soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten."
Info: Die Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege für das Hochsauerland
Zur Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege für das Hochsauerland gehören die AWO Hochsauerland-Soest, die drei Caritasverbände Arnsberg-Sundern, Brilon und Meschede, Diakonie Ruhr-Hellweg, die DRK Kreisverbände Brilon, Arnsberg und Meschede und der Paritätische Wohlfahrtsverband Hochsauerland. Die neun gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände bieten gemeinsam das größte und tragfähigste Hilfsnetzwerk für die Menschen in Not im Hochsauerlandkreis an, und zwar von der Wiege bis zur Bahre. Die Angebote umfassen unter anderem existenzsichernde Hilfen, Beratung, Bildung, Erziehung, Mutter-Kind-Kuren, Pflege, Suchtkrankenhilfe, Schwangerschaftsberatung, Schuldnerberatung, Wohnungslosenhilfe, Insolvenzberatung, Rechtliche Betreuung, betreutes Wohnen sowie Teilhabe am Leben, Wohnen und Arbeiten für Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen.