,,Herzlich willkommen. Ich freu mich auf Euch. Ich möchte Euch einladen, mit mir zusammen zu malen". So begrüßt sie lächelnd ihre Gäste.
"Ich kann doch überhaupt nicht malen", ist die spontane Antwort der alten Dame, die neben ihr Platz genommen hat. ,,Dann arrangieren wir heute einfach mal etwas für Leute, die meinen, sie könnten nicht malen", scherzt die Künstlerin augenzwinkernd.
Ganz authentisch, die Menschen auf der emotionalen Ebene berühren, das gelingt Hildegard Scheffer hervorragend. Mit ihrer sympathischen, unaufgeregten Art, gewinnt sie schon in den ersten Minuten der Begegnung Vertrauen bei Alt und Jung. ,,Auf geht' s. Lasst Euch einfach mal auf das Spielen mit den Farben ein. Jeder hilft Jedem. Nichts ist falsch. Keiner wird kritisiert. Alles ich richtig. Teilt Eure Freude mit den anderen!", so ermuntert sie ihre Gäste.
,,Freude teilen? Wie soll das denn gehen?", fragt eine alte Dame ein wenig ungläubig in die Runde.
Gespannt betreten die jungen und die alten Menschen das Foyer im Städt. Gymnasium Laurentianum in Arnsberg. Dort sind Staffeleien aufgebaut. Großformatige, leere Malblätter sind auf Holztafeln befestigt. Sie ziehen die Blicke auf sich. Davor stehen Teller mit leuchtenden Mal-Farben. Pinsel, Rollen, Spachteln, Federn stehen bereit für dieses Experiment.
"Ich mach's mit links, ... weil ich's doch in der rechten Schulter habe", sagt Ingeborg Feldmann spitzbübisch. Beeindruckend, welche Impressionen sie mit dem Pinsel in ihrer linken Hand aufs Blatt bringt. Marvin sitzt konzentriert neben ihr. Sein Blick ruht auf dem leeren Blatt. ,,Das wird blau!" sagt er plötzlich fest entschlossen und legt los. Mit ausladenden Bewegungen schwingt er den Pinsel übers Papier. Es entsteht ein rotes Segel-Boot im blauen Meer. Die beiden unterhalten sich angeregt. ,,Das ich das noch einmal erleben darf! Ich hätte es mir nicht träumen lassen. Marvin strahlt sie an. Ein schöner Moment für beide Generationen.
Eine entspannte Atmosphäre breitet sich aus. Die einen plaudern, die anderen betrachten die entstehenden Maispuren. Kunterbunte Bilder entstehen, voller Phantasie und Farbenspiele.
"Oh, wie schön, die Sonne geht auf! Das ganze Bild ist voller Sonnenstrahlen. Ich spüre schon die Wärme", sagt Bernhardine Horn, mit Blick auf das Bild ihres jungen Nachbarn. ,,Aber Hallo! Mir wird's schon ganz heiß", antwortet er schmunzelnd. Eine Szene, die das Herz zutiefst berührt.
Die Künstlerin ermuntert die etwas Zögerlichen: ,,Nicht denken. Einfach mit Farben und Pinseln spielen". ,,Das ist aber schief! Ach, was soll' s, da lege ich mich beim Betrachten des Bildes halt in die Kurve", sagt Ingeborg Feldmann. Sie lacht und neigt ihrem Kopf zur Seite, als sie auf ihr Bild schaut.
An der Staffelei nebenan sitzt Bernhardine Horn. Fröhlich sagt sie zu ihrem jugendlichen MalPartner Rodriges: "Schau mal, ich habe das Haus über einen Stuhl gemalt und darunter sitzt 'ne Katze. Kuck mal, das wäre fast ein Pinguin geworden!" Sie amüsiert sich köstlich über ihre eigene Bild-Interpretation. Rodriges stimmt ihr lachend zu: ,,Ja. fast wär's ein Pinguin geworden, aber nur fast". Sie schauen sich an und lachen laut.
"Sollen wir das Blatt mal herum drehen?", fragt Frau Scheffer die alte Dame, deren ausgestreckter Arm nicht bis zum oberen Rand des Blattes reicht. ,,Das ist eine gute Idee. Dann wird mit ein paar Pinselstrichen aus dem blauen Himmel ein wogendes Meer. Schön, wenn man jemanden an der Seite hat, der hilft, wenn man Hilfe braucht", antwortet Bernhardine Horn. Ihre Gesichtszüge entspannen sich.
"Wie geht's euch jetzt?", fragt die Künstlerin am Ende des kreativen Vormittags. Sie alle sitzen noch einmal in der Runde zusammen. Ihre Antworten bringen die Gäste kurz und knackig auf den Punkt: ,,Ich bin tief beeindruckt. Einfach schön. Ein wunderbares Miteinander. Pure Freude. Staunen. Glück. Farbenspiele. Dankeschön! Jetzt weiß ich, wie man Freude teilt!"
,,Habt Dank, lebt wohl", so verabschiedet Hildegard Scheffer Ihre rundum glücklichen Maifreunde. Niemand fragt hier nach dem Alter. Es klingt so selbstverständlich. Ist es auch!
"Ihr Taxi!", ruft Rodriges, als er mit dem Rollator von Bernhardine Horn heran rollt. ,,Ich helfe Ihnen gern in den Mantel. Darf ich? Vorsicht, da steht ein Stuhl im Weg. Kommen Sie mit mir? Schauen Sie mal, dort auf dem Schulhof wartet schon Ihr Chauffeur mit dem roten Bulli!"
Herz, was willst Du mehr?
In diesem Projekt "Alt trifft Jung" begegnen sich Menschen auf Augenhöhe. Sie entwickeln ihre soziale Kompetenz und Empathie. Gleichzeitig verändern sich die stereotypen Altersbilder in ihren Köpfen. So entstehen Vertrauen, Freundschaften und Beziehungen über Generationen hinweg. Es ist ein wunderbarer Weg, um dem Rückzug und der Einsamkeit zu entfliehen.
Der Wert sozialer Beziehungen ist ihre emotionale stützende Kraft. In der Begegnung reicht es nicht, dass andere Menschen da sind, sie müssen füreinander da sein. Voraussetzungen sind Spiritualität, Offenheit, Kreativität und Phantasie. Diese Fähigkeiten sind bei allen Menschen eigentlich vorhanden, sie müssen allerdings häufig wieder neu erlernt, ausgelebt und gefördert werden.
Es ist ein erhabenes Gefühl zu sehen, mit welch sprühender Energie die Jugendlichen Lachfalten in die Gesichter zaubern. Es ist eine neue Kultur des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts, die hier gelebt wird. Mit einem Gewinn für beide Seiten. Dabei werden als verbindendes Element Maifarben gezielt eingesetzt. Danke an die Arnsberger Künstlerin Hildegard Scheffer, für diese wunderbare Initiative. Ein Geschenk für die Jugendlichen und alten Menschen gleichermaßen.
Dieser Generationen-Dialog ist ein Kunst-Projekt zwischen dem Städt. Gymnasiums Laurentianum Arnsberg und dem Caritas-Seniorenhaus Sankt Anna in Arnsberg. Es wird begleitet und unterstützt durch die Fachstelle Zukunft Alter Arnsberg und den Förderverein Wendepunkt e.V. Arnsberg.
Text: Marita Gerwin